Großmutter, warum hast du einen so großen Kopf?


„Damit ich ihn besser schütteln, ähm damit nicken kann.“

 

Na was denn nun? Ist hier ein Zimmer frei oder nicht? Wir sind in Srebarna, im Norden von Bulgarien. Auf die Frage, ob in dem niedlichen Gasthaus noch ein Zimmer frei ist, reagiert die Gastmutter mit einem Kopfschütteln, sagt aber „Yes“. Ja was denn nun, denke ich und träller leise vor mich hin: „Ja, äh nein, ich mein jein!“. Wir deuten das Kopfschütteln einfach mal als ein JA und liegen damit goldrichtig.,. denn hier in Bulgarien läuft das mit dem weltweit anerkannten Kopfschütteln und –nicken genau anders herum. Das sorgt für Missverständnisse... aber auch für viele Lacher :)

 

Das ist heute schon das zweite Mal, dass wir uns das Schmunzeln nicht verkneifen können. Denn gleich nach der Grenze wartete folgendes Schild auf uns: „Schön willkommen in Bulgarien!“ Oh man, dieses Land hat einfach einen unschlagbar sympathischen Charme! Überhaupt wirkt ganz Bulgarien auf uns wie ein kleines unbeholfenes Kindchen, das nicht weiß, dass man zu „JA“ mit dem Kopf nickt und bei „NEIN“ den Kopf schüttelt. Ein Kind, das ohne Scheu mit Fremden in Kontakt tritt und einfach drauf losquasselt, egal ob die Fremden es verstehen oder nicht. Es nimmt einen einfach an die Hand und zeigt uns blind gewordenen Erwachsenen seine schöne Welt: „Guck mal wie hübsch hier alles ist! So bunt, so unberührt, hier guck… Schau dir die vielen farbenfrohen Blumen und die pure Romantik an! Wie im Märchen, oder?“

 

Klein Rotkäppchen zeigt uns ihre Welt, wie de wie de wie sie ihr gefällt. Der böse Wolf ist schon lange gezähmt und liegt in Form von schlummernden Straßenhunden beseelt auf dem warmen Pflaster und freut sich über Streicheleinheiten. Auch die Omis, die so gemütlich vor ihren Häusern sitzen, freudig winken und uns zahnlos anlächeln, will der böse Wolf nicht mehr fressen – zum Glück! Denn die Einheimischen halten uns fest und plaudern wie Wasserfälle auf uns ein – auf Bulgarisch wohlgemerkt. Und wir? Verstehen kein Wort! Was sie wohl erzählen? Einige holen Fotos, stellen offensichtlich Fragen, wir lächeln, sie lachen und umarmen uns, kneifen uns beherzt in die Backe und verteilen großzügig Bussis – so groß ist ihre Freude über fremde Besucher ihres Dörfchens. Das toppt alle Gastfreundschaft, die wir bisher erlebt haben!

 

Bei einer der zahnlosen Omis nächtigen wir in ihrem paradiesischen Reich – zu unserem Glück spricht sie ein wenig Englisch. Während sie uns herumzeigt, scheint es, als wären wir nonstop von der Hundehölle auf den Friedhof der Kuscheltiere geraten. Denn beim Blick vom Balkon entdecken wir eine Katze, die mausetot im Blumenbeet liegt. Ahhh! Doch damit nicht genug. Als nächstes begrüßt uns der Haushund. Er strahlt uns fröhlich an – mit bloß einem Auge. Oh ha… was ist denn mit dem passiert, wollen wir wissen. „His sister did it!“ und schon kommt die Übeltäterin um die Ecke gebraust - kern gesund. Ganz im Gegensatz zu Hund Nummer 3, Peggy. Sie kommt auf nur drei Beinen angehoppelt. War das auch die Schwester? „No, car accident!“ Puh! In der „Sister“ steckt zum Glück nicht der tot geglaubte böse Wolf!

 

Die bestimmt 20 Katzen haben allerdings alle keine Namen – bis auf die Schwarze, die heißt Barack Obama ;) Über die Babykatzen freuen wir uns besonders. Überhaupt verbringen wir bei Gastmutter Luba eine wundervolle Zeit. Sie verwöhnt uns wie eine echte Großmama – sie kocht deftige Leckereien, serviert selbst gemachte Limonade und backt leckere Schafskästeteilchen. Nur so viel können wir gar nicht essen! Also lehnen wir immer wieder dankend ab. Es scheint ihr das Herz zu brechen, also gehorchen wir Großmutter und essen und trinken brav alles auf. Was wir nicht wissen – Lubas „Zuwendung“ erscheint später auf der Endrechnung. Wir trauen unseren Augen nicht. Darüber hinaus hat sie sich „aus Versehen“ um 20 € verrechnet – tse! Sag mal Großmutter, warum hast du so große gierige Augen, denke ich mir. Aber bevor sie zum Wolf wird und die böse Hundeschwester auf uns jagt, bezahlen wir lieber. Für unsere Verhältnisse war die „45 € pro Tag all inclusive Pension“ trotz allem günstig und die wunderschöne Zeit im Garten der Kuscheltiere wollen wir auch auf keinen Fall missen.

 

So fahren wir dennoch mit gutem Gefühl weiter – nach Vetren, ein Dörfchen direkt an der Donau - mit bloß 5 € in der Tasche. Das Fatale: auch in der weiteren Umgebung lässt sich nirgends Geld auftreiben. Der nächste Geldautomat? Kilometer entfernt! Zu unserem großen Erstaunen brauchen wir auch nicht mehr. 3€ langen tatsächlich für eine üppige Fischplatte, Cola und Wasser. Und die Betreiber des Kiosks laden uns dazu ein, umsonst auf ihrem Gelände zu nächtigen - traumhafter Donau-Sonnenuntergang inklusive, Duschen und Toiletten exklusive. Ein Plumpsklo muss reichen.

Von den restlichen 2€ wollen wir unbedingt noch Brot fürs Frühstück kaufen und machen uns auf ins Dörfchen. Dort treffen wir erneut auf Rossi, der schon am Donau-Ufer ein freundliches Englisch-Hände-Füße-Gespräch mit uns angefangen hat. Er ist Feuerwehrmann aus dem Nachbarort und macht regelmäßig Kurzurlaub auf dem Impro-Campingplatz in Vetren. Es tut ihm aufrichtig Leid uns sagen zu müssen, dass es im Dörfchen keine Supermärkte gibt. Deswegen braucht hier wahrscheinlich auch keiner einen Geldautomat, verstehen wir. Doch er will uns unbedingt helfen, läuft hastig umher und spricht letztendlich eine Gruppe auf der Straße hockender Frauen an. Die schmalste von ihnen verschwindet prompt in ihrem Haus und kommt schwer beladen wieder: eine Stange Brot, zwei dicke Melonen und ein riesen Sack Tomaten aus Eigenanbau. Wir bekommen Gänsehaut vor Rührung und bedanken uns auf allen Sprachen, die wir kennen. Dafür werden wir wiederum gebusselt und umarmt.

 

Zurück hat Thomas schwer zu schleppen, aber was die schmale Omi schleppen kann, schafft er schon lange! Zurück am Wasser beobachten wir die vielen Fischer und lernen den 18-jährigen Martin kennen. Er spricht fließend Englisch, obwohl er noch nirgendwo anders, als in Bulgarien war. Das Verrückte daran: direkt auf der gegenüber liegenden Seite der Donau befindet sich Rumänien – keine 5 Minuten Bootsfahrt entfernt! Aber da will Martin nicht hin. Die Rumänen sind nicht so ganz sein Fall. Ahja, diese Nachbarschaftsliebe kennen wir ja schon ;) Nur hätte ich es von den vorbildlich gastfreundlichen Bulgaren irgendwie nicht erwartet. Aber was soll man sagen: Nur nett sein ist ja auch schon Rotkäppchen zum Verhängnis geworden…

 

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann traveln sie noch heute… diesmal weiter ans Schwarze Meer. 

 

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