Hauptsache g'sund ... der Bub

 Bevor es nach Albanien geht, peilen wir die letzte Station in Montenegro an – und haben das Gefühl, dass wir die Grenze irgendwie schon passiert haben?!Wir bekommen quasi Recht: Tatsächlich besteht Ulcinj zu 80% aus Albanern. So wohnen wir– klar – bei einer albanischen Familie, die uns sofort zum türkischen Kaffee auf der Terrasse mit Meerblick einlädt. Neben einem kleinen Strand gibt’s hier eine imposante Altstadt, in der man vorzüglich dinieren kann. Was man nicht kann: Mit Visa zahlen. Und jetzt? Kurzerhand schickt der Besitzer (auch Albaner) einfach seinen Neffen mit, der uns etwa 20 Minuten lang kreuz und quer durch die Altstadt hetzt und der dann ganz easy am Geldautomaten abkassiert. Unkompliziertes Völkchen, wir freuen uns auf mehr!

 

Und das bestätigt sich nur allzu sehr in Durres, wo wir unsere Freunde Anatol und Daniel und ihre scharfe Japanerin Susi wieder treffen. Dass das überhaupt hingehauen hat! Immerhin hat Thomas vorher folgende - für mich völlig unverständliche – SMS geschrieben: „ Hi daniel anatol Wir sind nach dürres ins hotel appolonia ende der autobahn links nicht portparallel zum strand an der sh4. Gebt susi die sporen.“ ??? Wie durch ein Wunder stehen die beiden kurze Zeit später tatsächlich an unserem Tisch. Aha, so was verstehen die, aber wir Frauen sind für sie immer wieder ein Rätsel?! Zusammen verbringen wir einen feuchtfröhlichen tollen Abend im lebendigen Städtchen! Danke Jungs! Was allerdings für immer ein Rätsel bleibt: wie das 2. Date zwischen Bruno und Susi gelaufen ist - aber ein russischer Gentleman schweigt und genießt eben!

 

Weiter: Berat ist wunderschön! Wenn nicht das schönste Städtchen Albaniens! Auch die Stadt der 1000 Fenster genannt. Dort treffen wir Johann und Nora, die einen heißen Tipp in Form einer einsamen Lagune parat haben, für die wir uns am Tag darauf verabreden. Termine Termine! Denn zuerst wollen wir noch nach Apollonia! Dort weilt ein altes Amphitheater in einer traumhaften Tempelanlage. Mindestens vier Bräute lassen sich hier in der Abendsonne fotografieren! Der Nachteil, die antike Stadt bei Sonnenuntergang zu genießen: Es ist gleich dunkel. Und wir haben keinen Schimmer, wo wir schlafen sollen.

 

Fast verzweifelt landen wir in der angebrochenen Dunkelheit in einem Restaurant in Darzeza, in dem wir nach Zimmern fragen. Trotz augenscheinlicher Familienfeier werden umgehend alle Hebel in Bewegung gesetzt. Drei Leute hängen bereits an der Strippe. Zwischenfragen wie „You need water?“ lassen sie sich von uns beantworten und telefonieren hastig weiter. Nach einigen Ausschusskriterien gibt’s anscheinend nur eine Lösung: Das Feriendomizil eines Freundes, direkt am Strand. Wir können unser Glück kaum fassen und folgen dem Besitzer „Neli“ durch die Dunkelheit, über sandige Pfade, die mit Schilf bewachsen sind. Endlich angekommen, traue ich meinen Augen nicht. Wir sind an einem Trailerpark angelangt: hier reiht sich ein Wohnwagen an den anderen. Während ich Thomas „perfect“, „nice“, „cool“ sagen höre, denke ich mir: „Never!“ Aber wo sollen wir hin? Außerdem möchte ich mitten im stockdusteren Wald nun wirklich nicht das Anwesen des stämmigen Caravan-Besitzers beleidigen. Die Nacht ist ruhig… sehr ruhig … um nicht zu sagen: zu ruhig – anders kann ich mir meinen beinahe Herzinfarkt nicht erklären, den ich bekomme, als eine Katze übers Dach spaziert… Jaja, immer diese Katzen auf dem heißen Blechdach! Der einsame Strand am nächsten Tag entschädigt jedoch alle Ängste. Abgesehen von den gewohnten Müllbergen, haben wir das blaue Meer wirklich komplett für uns.

 

Und es kommt noch besser: verrückterweise will uns unser Gastgeber zum Essen einladen. Dabei wären wir doch im Zugzwang. Kommt für ihn aber nicht in Frage! Telefonisch bestellt er schon einmal vor. „Nur ein ganz kleines bisschen“, sagt Thomas noch. Aber zu spät. Vor Ort wird Fisch (der hierzulande übrigens gerne auch mit dem hauseigenen Schrotgewehr geschossen wird. Daher auch die Schüsse am Morgen?!), Calamari, Tsatsiki, griechischer Salat, Fetakäse und und und aufgetischt. Jaa, man merkt, wir sind jetzt echt nah an Griechenland. Wie das Verhältnis denn so zum Nachbarland sei, fragen wir. „Wie der Gazastreifen“, so die Antwort! Nachdem der Kommunismus in Albanien gestürzt worden war, hatte die Mehrheit der Bevölkerung keine Arbeit und versuchte Geld in Griechenland zu machen. So auch Neli - zur Tarnung mit Kreuz um den Hals und dem Decknamen „Spiro“. Arbeit gab’s nur sporadisch und so hat er viele Nächte unter Brücken verbracht. Trotzdem würde er jederzeit Griechen genauso gastfreundschaftlich wie uns bei sich aufnehmen. Wenn er immer noch Groll gegen die Nachbarn hegen würde, könnte er die griechischen Urlauber auch einfach erschießen und in seinem Vorgarten vergraben, danach würde in Albanien kein Hahn krähen. Aber das macht er ja nicht. Good boy!!!

 

Inzwischen sitzt auch Cheffe mit am Tisch und sorgt für die Getränke: Rotwein, Bier und good old Rakija! Und das um 12 Uhr mittags! Zuvor hatte Thomas schon der feuchtfröhlichen Runde, bestehend aus Neli, 2 Arbeitern und dem Stadtpolizisten, im Strandcafé beigewohnt – auch dort wurde bereits ordentlich gebechert. Wir wollen lieber passen, aber ein „Nein“ wird nicht akzeptiert – das ist gegen den Respekt. „Respekt“ (zumindest den Männern gegenüber) ist in Albanien sehr sehr wichtig. Na dann „Surr!“ (Prost).

 

Was auch noch sehr sehr wichtig ist, erfahren wir durch diese Frage: „Und wie viel Kinder hast du, Neli?“ - „Eins“ antwortet er. Wir erinnern uns an gestern, da saßen mindestens zwei Töchter mit am Tisch. „Und zu wem gehörten die beiden Mädchen?“ – „Ja, das waren auch meine!“ – Und warum dann nur eins?“ – „Bei uns Albanern zählen halt eben nur die Jungs so wirklich. Als das zweite Kind auch eine Tochter wurde, habe ich sie ‚Bring mir Gold‘ getauft und siehe da, das dritte Kind war endlich ein Junge! Und der heißt jetzt ‚Argen – goldene Gene‘!“ Ahja… Neli ist nicht mehr zu bremsen. Denn wenn man einen Sohn hat, will man noch mehr Söhne haben. Wir können ihn übrigens jederzeit gerne wieder besuchen, vielleicht nächstes Jahr, wenn Thomas‘ Frau (ich! Ich sitze daneben!) ihm einen Sohn geschenkt hat. Tse! Den besuche ich erst wieder, wenn ich fünf Töchter habe, die allesamt „Behalt dein Gold“ heißen! Jawoll!

 

Gerade als wir loswollen, lädt uns der Nachbartisch, der erfahren hat, dass wir „Freunde aus Deutschland“ sind, auf die nächste Runde Rakija, Rotwein und Bier ein. Ausschlagen geht nicht: der Respekt! Während wir die Hälfte wegkippen, zählen wir bei Neli inzwischen 6 Bier, 3 Rotwein und um die 5 Rakija. Ob er so noch fahren will? Klar! „Don’t drink and drive“, fahre ich fort. In Albanien erwecke man bei der Polizei erst Verdacht, wenn man angehalten wird und völlig nüchtern ist, lacht er. Zu den Getränken wird Nachtisch serviert. Thomas solle mehr essen, der sei viel zu dünn. Hallo! Und ich? ;) Die Wassermelone hat Kerne, die will Neli nicht. Zu Hause entkernt seine Frau die Melonen für ihn. Ich entgegne, dass wenn Thomas sie nicht mögen würde, er sie selber rauspiddeln müsste. Dafür erntet er einen zutiefst mitleidigen Blick.

 

Wir wollen weiter, denn wir haben ja ein Date mit Johann und Nora am romantic Beach, auf das wir uns schon sehr freuen. Doch Neli möchte uns noch zum Kaffee in seinem Stadt-Café einladen. „Nein“ sagen geht nicht, richtig, wegen des Respekts. Als er uns für die nächste Nacht in sein Haus einladen möchte, müssen wir aber wirklich „Nein“ sagen. Zutiefst bestürzt lässt uns der Hyper-Gastgeber Neli ziehen. Seine Nummer drückt er uns noch in die Hand, falls wir doch wiederkommen oder falls was ist. Und wenn wir wieder zu Hause sind, sollen wir mal durchklingeln – für den… genau, Respekt!

 

Um zu dem besagten Strand Palase zu kommen, müssen wir den Llogara Pass überqueren. Wir haben schon von vielen gehört, dass der schön sein soll, aber was wir sehen, verschlägt uns die Sprache: Wir stehen oben auf der Spitze, links geht der Mond auf, rechts die Sonne in pink-lila unter. Mittendrin das Meer, von dem wir durch eine Riesenwolke getrennt sind. Wo sind wir? Im Himmel? Kaum ist der Sonnenuntergang vorbei, ist es dunkel. Ohweiha, Déjà-vu! Wie sollen wir denn jetzt einen einsamen Strand finden? Gott sei Dank finden uns Nora und Johann, was aber noch lange nicht heißt, dass sie die einsame Bucht auf Anhieb wieder finden. Ca. 2 Stunden später sind wir am Zielort unserer Träume. Dank Vollmond ist es recht hell und wir können schon erahnen, was uns am nächsten Tag erwartet. Trotzdem bleibt uns am Morgen die Spucke weg: menschenleer, türkises Meer, weißer Steinstrand und dazu ein Bergpanorama, das sich gewaschen hat! WOW! Nur ganz schweren Herzens können wir uns nach fröhlichen Badestunden im erfrischend kalten Meer von unserem lieben Romantic-Pärchen trennen, das tatsächlich noch weitere 4 Tage bleiben und sich ausschließlich vom selbst gefangenen Fisch ernähren möchte. R.e.s.p.e.c.t.!

 

Für uns drängt die Zeit leider! In weniger als einer Woche müssen wir in Athen sein, wo uns mein Bruderherz Max besuchen kommt. Doch bevor es nach Griechenland geht, will ich noch nach Saranda/Albanien (übrigens nur einen Steinwurf von Korfu entfernt!) in ein Hotel – in einem Bett schlafen und mich duschen!!! Thomas kann sich allerdings so gar nicht vom „Robinson Crusoe spielen“ trennen. Da hilft nur eins: Augenaufschlag und Schmollmund! Und schon düsen wir weiter!

 

Hach, ich bin so froh, dass ich ein Mä-ä-ä-dchen bin!!!!!!!!!

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